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Schübling

der,

Schubhäftling


Wortart: Substantiv
Kategorie: Amts- und Juristensprache
Erstellt von: JoDo
Erstellt am: 11.04.2008
Bekanntheit: 60%  
Bewertungen: 4 0

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Kommentare (9)


Wohlan denn ...
Niemand wollte das Unwort des Jahres 1999 eintragen, so tue ich es. Wie gesagt, ich betrachte es nicht als ´mein´ Wort, aber Ordnung muss sein.
JoDo 11.04.2008


Und hier die Kommentare aus der Vorrunde:
(Mehrzwangstreifen)
JoDo 11.04.2008


@JoDo - Klare Sache, auch ich verstehe^
das dies nicht Dein Wort ist ! Auch Du warst einmal in der Lage, ein Wort zu bewerten das ich eintrug und nicht m"meines" war. Gerne erinnere ich mich daran, umso mehr ich besonders gerne eine Bewertung eines "allgemein" bekannten Wortes trotz negativem Touch geben kann. Sicher bin ich mir, Du erinnerst Dich an den Eintrag aus "dunkler" Zeit. GLG -sh-
shadow 14.04.2008


Zwar ist auch die Erklärung "Schubhäftling" ein österr. Wort ("Abschiebehäftlinge" sind sie 'draußen'), doch gar so neu war auch der "Schübling" nicht, das Unwort von 1999:

1869:
So gibt es Schubstationen in Kärnten, an welche der Landesfonds für die Mittags-Verpflegung eines Schüblings, die normalmäßig entweder aus 1/6 Pfund Rindfleisch mit Brod in der Suppe, oder Ritschat, Sterz oder Hirsebrein mit Milch zu bestehen hat, 26 kr. bezahlen muß
source: Stenographische Protokolle des Kärntnerischen Landtages (Sept.-Okt. 1869)


Da die Armenversorgung seit der Metternichzeit jedoch eigentlich Gemeindeangelegenheit war, wurden in der Hungerzeit der 30er Jahre Arbeitslose per "Schubpass"(!) auf Zwangsrouten in jene Gemeinde abgeschoben, wo sie formell "heimatzuständig" waren - und auf dem Schubpass-Vordruck aus der Österr. Staatsdruckerei (Formular Nr. 5453 23) findet sich, zusammen mit Wortbildungen wie:
Schubprotokoll, Schuberkenntnisbehörde, Schubweg, Schubstation,
auch 3x der "Schübling":

* Vor- und Zuname (des Schüblings)
* Die betreffenden Schubstationen werden hiemit ersucht, diesen Schübling auf die vorgeschriebene Weise (Beförderungsart und Begleitung) weiter zu befördern
* Verzeichnis der dem Schüblinge abgenommenen Effekten

Schließlich gelangte ein solcher Schubpass mit beiliegendem Protokoll aller Schub- und Hauptschubstationen über Zeit des Eintreffens, die Abgabe von Mahlzeiten - Anzahl von "Frühstück/Mittag/Abend" - und mit der Angabe, wohin "weiter verschoben", an die "Schuberkenntnisbehörde" "mit der Bestätigung zurück, daß der Schübling [4.Erwähnung ]in ... richtig eingetroffen ist." -

Zwangsmobilität nach Binnenmigration sozusagen.
Auch das bezieht sich drauf:
Vor- und Zuname des Schüblings ... Untertänigkeitsort, wohin der Schübling gehört ... Geburtsort des Schüblings … Vorzeichnung des mit dem Schübling einzuschlagenden Weges
source: Max Obentraut, Alphabetisches Handbuch der öffentlichen Verwaltung in Bezug auf praktische Polizei und Landeskultur (Prag 1844)

Koschutnig 06.03.2010


Ein österreichischer Beamter
wird als zynischer Worterfinder vermutet (siehe Eintrag "Mehrzwangstreifen", Wort 11377: Halawachl am 2007-08-24 11:32:05 :
Ist `Schübling´ eigentlich drin? Diesen widerlichen Ausdruck [...] kann doch nur ein ö.Beamter erfunden haben, oder lieg ich da falsch?).

Aber: Dieter Herberg et al.: "Neuer Wortschatz: Neologismen der 90er Jahre im Deutschen."
(= Schriften des Instituts für Deutsche Sprache , Bd. 11), Walter de Gruyter, Berlin 2004,
ISBN 3-110-17751-X,
http://tinyurl.com/y9b225v
auf Seite 295:Schübling, der: Neulexem. Seit Mitte der 90er Jahre des 20. Jh. in Gebrauch.
Bedeutung: Asylwerber, dessen Asylantrag abgelehnt worden ist und der abgeschoben werden soll
Synonym: Abschübling


Als Belege werden dann angegeben:
`Süddeutsche Zeitung´ v. 7.6.95; `Stern´ Nr. 24/1999; `die tageszeitung´ v. 15.12.2000 sowie
Günter Grass (Laudatio für den türkischen Schriftsteller Yasar Kenal bei der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels 1997) laut `Frankfurter Rundschau´ v. 20.10.97

Dieselbe Definition - ebenfalls ("Politjargon") auf den erfolglosen Asylwerber eingeschränkt (warum eigentlich?) - bietet das Online-Wörterbuch OWID http://www.owid.de/pls/db/p4_anzeige.lesart?v_id=93765&v_lesart=Asylbewerber&v_modulSuche=n

Auch in der Lufthansa-"Deportation Class"-Diskussion (21.6.200)- "Stoppt Lufthansa Abschiebungen?

34.756 von 38.479 im Jahre 1998 abgeschobenen Personen mussten Deutschland auf dem Luftweg verlassen - Schüblinge, wie das Amtsdeutsch sie nennt. Gut die Hälfte fliegt mit Lufthansa, meist ohne Begleitung. Begleitung durch Beamte des Bundesgrenzschutzes ist wahrscheinlich ein guter Indikator für den Übergang von einer zwangsweisen zu einer gewaltförmigen "Ausschaffung". Ein Geschäft wäre das alles nicht, flögen die Beamten nicht First Class zurück.

Der Beamte verkörpert die Staatsgewalt, derSchübling die Nurmenschlichkeit. Und um die ohnehin schon extreme Situation noch ins Absurde zu verkehren, verwandeln sich Beamter und Schübling im Augenblick des Schließens der Kabinentüren in normale Passagiere...

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/8/8272/1.html

Über 100 Jahre älter sind aber Rechtswerke aus der k.u.k. Monarchie, etwa vonErnst Mayrhofer: "Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst in den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ländern: Mit besonderer Berücksichtigung der diesen Ländern gemeinsamen Gesetze und Verordnungen", von 1880,
wo man erfährt, dass bei Instradierung [= Beförderung über eine bestimmte Straße] des Schüblings für längere Strecken (man) sich der Eisenbahn zu bedienen, hiebei aber jedenfalls vorzusehen habe, daß der Schübling in einer an der Eisenbahn gelegenen Schubstation aussteigt und dieser Gemeinde zur weiteren Instradierung übergeben wird,
http://tinyurl.com/yaphnxn
oder von
Adalbert Zaleisky: "Handbuch der Gesetze und Verordnungen, welche für die Polizeiverwaltung im österreichischen Kaiserstaate von 1740-1852 erschienen sind: Mit einem Nachtrage enthaltend die Verordnungen von 1853 bis Ende Juni 1854", Wien 1854,
die beide eine Menge zum "Schübling"-Thema wissen - Zaleisky auf 47 (!) Seiten mit hochwichtigen Details, z.B.:
"Kein Schübling darf, unter persönlicher Haftung der Ortsobrigkeit oder des Ortsrichters, durch Weibspersonen oder Kinder begleitet werden
oder dass die Anordnung der n.ö. Regierung, ein Schübling sei unter bestimmten Bedingungen an die letzte Schubstation zurück zu schicken, durch die k.k. Hofkanzlei aufgehoben worden sei, und es hat nunmehr die Obrigkeit, bei welcher ein Schübling ohne die nöthige Bekleidung oder mit Ungeziefer behaftet anlangt, sogleich die Bekleidung oder Reinigung desselben einzuleiten.
http://tinyurl.com/ybmzkah


Ein "Neologismus" ist der "Schübling" also wirklich nicht, denn aus alter Verwaltungssprache ist das Wort im Polizeijargon lebendig geblieben und nun im Politjargon mit einer gewissen Bedeutungseinengung zu breiterer Verwendung gelangt.
Koschutnig 06.03.2010


"Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Zunächst ist festzustellen, daß die Frage der Mitnahme eines Passagiers – mag er auch ein abzuschiebender Passagier sein – auch eine Entscheidung des Piloten über die Bereitschaft zur Mitnahme voraussetzt. Gelegentlich kommt es zu den von Ihnen angeführten Konstellationen, in denen es Piloten ablehnen, sogenannte Abschüblinge auf ihrem Flug zu transportieren.Quelle: 53. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XX. Gesetzgebungsperiode Freitag, 13. Dezember 1996

"Bericht des Bürgermeisteramtes an die BH Zwettl über die durch die Unterbringung und Verpflegung von Schüblingen und Häftlingen entstandenen Kosten, 22. 3. 1851 (Rer.-Nr. 260)."

"Überweisung von 1 fl CM durch die BH an das Bürgermeisteramt Zwettl für Verpflegung und Begleitung des Schüblings Leonhard Golent, 21. 3. 1851 (Reg.Nr. 269)
Quelle: beide zu finden im Karton 42 Allgemeine Gemeindeakten 1-490; 1851 des Stadtarchivs Zwettels" -- http://www.zwettl.gv.at/system/web/zusatzseite.aspx?detailonr=218027003


"Seraphin kehrte dem Morgenroth den Rücken, und ging die von ihm bezeichnete Straße, nicht unähnlich einem Schübling, der, dem Ueberreiter entsprungen, den verschwiegnen Bergwald mit Hast zu erreichen strebt."Quelle:
Karl Spindler: Der Vogelhändler von Imst, VI.Kapitel - 1855

Sehr interessanter Artikel zur "Personenfreizügigkeit an den Binnen- und Außengrenzen von Habsburgermonarchie und Europäischer Union":

http://www.eurozine.com/articles/2005-01-11-komlosy-de.html

Ebendort:

"Mit der Abschaffung der Grundherrschaft ging die armenrechtliche Zuständigkeit 1849 an die politische Gemeinde über. Die Möglichkeit, das Heimatrecht nach einer gewissen Dauer des Aufenthalts in einer Gemeinde zu erlangen, wurde durch das Heimatgesetz von 1863 allerdings erheblich erschwert. Nicht mehr der zehnjährige Aufenthalt, sondern nur die ausdrückliche Aufnahme in den Gemeindeverband berechtigte eine zugewanderte Person zur Armenversorgung. Damit besaß das Gros der Zuwandernden an seinem neuen Aufenthaltsort keine soziale Absicherung. Im Fall von Arbeitslosigkeit oder Verarmung hatten sie die Abschiebung in die Heimatgemeinde zu gewärtigen. Deutlich zeigt dies die sich öffnende Schere zwischen faktischer und heimatberechtigter Bevölkerung am Beispiel der Stadt Wien. Im Jahr 1830 waren 69,8 Prozent der Wiener Bevölkerung in der Stadt heimatberechtigt. 1850 lag der Anteil bei 57,5 Prozent, 1869 bei 44,6 Prozent, 1880 bei 35,2 Prozent und 1890 bei nur 34,9 Prozent. 65 Prozent der in Wien anwesenden Personen waren 1890 im Fall der Verarmung konkret von Abschiebung bedroht.
Die Verschärfung der Heimatrechtsgesetzgebung folgte unmittelbar auf die Aufhebung der Binnenpässe. Indem Neuzugezogenen am Aufenthaltsort die Erlangung des Heimatrechts praktisch verunmöglicht wurde, stellte das Heimatgesetz nun das zentrale Instrument dar, das gewährleisten sollte, dass die erhöhte Freizügigkeit der StaatsbürgerInnen zu keiner unkontrollierten Zuwanderung in die Ballungsräume führte. Der Kontrollvorgang hatte sich damit von den Abwanderungs- in die Zuwanderungsorte verlagert(...)Rechtlich gesehen, war die "zwangsweise Entfernung aus polizeilichen Rücksichten" keine Strafe, sondern "eine Vorkehrungsmaßregel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Säuberung des Landes von verdächtigen und bestimmungslosen Vagabunden". Sie erfolgte entweder mittels "Wegweisung" oder mittels Schub (Abschiebung). Die Wegweisung, die nur bei "unbedenklichen Individuen" in Frage kam und voraussetzte, dass diese über Mittel zur Heimreise verfügten, schrieb dem Betroffenen per Zwangspass eine "gebundene Marschroute" vor. Die Abschiebung hingegen, die bei schwierigeren Fällen zur Anwendung kam, bedeutete die zwangsweise Beförderung unter Begleitung von Wachorganen; als Reisedokument fungierte der so genannte Schubpass. Je nach Entfernung fand der Transport zu Fuß, per Fuhrwerk bzw. - im Eisenbahnzeitalter - per Bahn statt; der "Schübling" ging "in Eisen" oder "am Strick", was im Schubpass vermerkt wurde."
anachoret 06.03.2010


Wer ist der älteste Widerling?
Aus dem Jahr 1839 stammt "Die Polizeigesetzgebung des Grossherzogthums Baden ""Vom Schub": § 701 Jeder nicht gehörig legitimirte [...] Ausländer ist auf dem Schub [..] in seine Heimat zu schicken. [...]
§ 704 Der Schübling ist mit Ernst und Festigkeit, aber human und ohne Kränkung zu behandeln, [...] niemals mit dem Verbrecher zusammen zu bringen... § 705 [...]Kranke Schüblinge dürfen nicht weiter gebracht werden ohne Zeugniß des Physikats, daß der Transport ihrer Gesundheit nicht nachtheilig sey [...]§ 707 Kein Schübling ist von einem fremden Staat zum Weitertransport zu übernehmen, wenn nicht urkundlich dargethan ist, daß er an dem Orte seiner Bestimmung angenommen werde. Ein von dem vorwärts liegenden Staate nicht angenommener Schübling ist von dem rückwärts liegenden wieder zurück zu nehmen.

http://tinyurl.com/yk5qtmsIm selben Jahr kennt und nennt den Schübling im Königreich Bayern die von Georg Ferdinand Döllinger hg.

"Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden Verordnungen: Bd. 1, 2. Teil: Staats- und Landespolizei"
, doch wird darin von einer "Allerhöchsten Entschließung" berichtet, die schon vom 21. März 1820 stammt und das Vagantenwesen, insbesondere den Transport der angeblich aus dem Großherzogthume Baden gebürtigen Schüblinge betr.
http://tinyurl.com/yl9cjy4Noch ein paar Jahre früher (1816) befasst sich das Bayerische Staatsministerium des Inneren ebenfalls mit Schüblingen aus Baden und Württemberg, 1818/19 mit solchen aus Polen und Russland (§§ 406ff.), und im selben Werk ( Georg Ferdinand Döllinger: Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden Verordnungen, Bd. 13.1) gibt es (§ 418) sogar "kais.-kön. österreichische Schüblinge"! http://tinyurl.com/yewfsx9 Wer hat also wo das "widerliche" Wort (Zitat Halawachl) erfunden?
Koschutnig 06.03.2010


Einen tiefen Einblick...
in die geschichtliche Dimension , die sich hinter diesem "Unwort" auftut, gibt ein 2000 erschienener Sammelband mit dem Titel " Grenze und Staat:Passwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und Fremdengesetzgebung in der österreichischen Monarchie (1750-1867)".

Rezension:


https://secure.falter.at/web/shop/detail.php?product_id=1763
anachoret 07.03.2010


Asylum Airlines
Claus-Dieter Stille auf Readers Edition.de 27. März 2008:

Der österreichische Manager Heinz Berger denkt viel über ein ganz besonderes Geschäftsmodell nach.
Wie, fragte sich der pfiffige Herr, kann man abgelehnte Asylbewerber möglichst kostengünstig - das versteht sich! - in großen Gruppen aus Europa herausbringen? Offenbar zwecks juristischer Beratung stand ihm der Rechtsanwalt Hermann Heller zur Seite. Gewissenmaßen luftechnisch sprang den beiden Herren der “Luftfahrtexperte Carl-Julius Wagner” bei. Und schon bald ward - um dicht beim Thema zu bleiben - flugs ein neues Geschäftmodell entwickelt: eine Fluggesellschaft nur für Abschiebungen. Tolle Sache! Sie soll vielleicht “Asylum [sic!] Airlines” heißen. Das Luftfahrtunternehmen könnte künftig “mit eignen Flugzeugen diese Dienstleistungen durchführen und Schüblinge ins entsprechende Zielland transportieren”, sagte Berger der “Frankfurter Rundschau”.
Mit den speziell ausgestatteten Flugzeugen sollen möglichst viele abgelehnte Asylbewerber von möglichst wenigen Beamten kontrolliert werden können. Berger denkt natürlich an die Einhaltung der Menschenrechte während der Reise in die alte Heimat: “Man kann die Leute nicht in Käfige stecken, verkleben oder fesseln.” Nein, bei “Asylum Airlines” soll es “zivilisiert” zugehen. Man denke an Polsterungen und “Bügel wie von Sesseliften”, um die “Schüblinge” zu fixieren. “Das hemmt nicht die Bewegungsfreiheit, aber das Randalieren stellt man ab.” Punkt.
source: Readers Edition.de

Koschutnig 07.03.2010





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